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Venter Kurat mit Vision und Hund
J. G. Thöni zum 150. Geburtstag

Die Anfänge des Alpinismus wurden nicht nur von Jägern, Hirten und Touristen geprägt, sondern auch von einer aufgeklärten Mittelschicht aus dem Berggebiet. Zu dieser gehörten vielfach Priester – der Venter Kurat Franz Senn ist hier ein prominentes Beispiel aus dem Ötztal. Wenige Jahrzehnte später hinterließ ein weiterer Priester in Vent Spuren, der nicht nur Bergsteiger, Skifahrer und früher „Touristiker“ war, sondern auch Fotograf und Verleger: Am 20. April 2021 jährt sich der Geburtstag von Johann Georg Thöni zum 150. Mal. Wir haben ihm hier einen Bilderspaziergang gewidmet.

Johann Georg Thöni wurde 1871 in Serfaus geboren und war von 1899 bis 1909 Kurat von Vent. Als begeisterter Bergsteiger, Skifahrer und Fotograf hat er 10 Jahre lang die touristische Entwicklung von Vent maßgeblich geprägt: Von 1899 bis 1904 führte Johann Georg Thöni das „Gasthaus zum Curaten“ in der Tradition Senns, ehe er es 1904 verpachtete.

Ansicht von Vent, aus dem Verlag Thöni (Archiv Gedächtnisspeicher)

Er hinterließ nicht nur eine große Zahl hochwertiger und origineller Fotografien, sondern druckte und verkaufte diese im von ihm gegründeten Verlag „Photoverlag J.G. Thöni in Vent“. Darüber hinaus produzierte Thöni auf Basis seiner eigenen Fotografien Panoramen, die er aus Drucksorten herausbrachte.  Als Obmann der Sektion Innerötztal des DÖAV war Thöni in Vent den Erbauern des Brandenburger Hauses, den Mitgliedern der Sektion Mark Brandenburg, wichtiger Ansprechpartner vor Ort und begleitete den Bau dieses von 1906 bis 1909 auf 3277 m Höhe errichteten Schutzhauses. 1901 bewirkte er die Eröffnung eines Postamtes im Ort und erkämpfte 1905 den ersten Telefonanschluss für Vent. Zugleich gab er den Schuldienst, der bislang zu den Aufgabenbereichen des Kuraten gezählt hatte, erstmals an einen Lehrer ab.

J. G. Thöni vorne rechts mit engem Mantel und Kollar im Rahmen der Feierlichkeiten zur Eröffnung des Brandenburger Hauses von 15.-18. August 1909. (Chronik Sölden)

Eine ebenfalls sehr innovatives Produkt Thönis waren die sogenannten „Tiroler Wege- und Distanzkarten“, die er u.a. im Verlag „Buchhandlung J. Grissemann – Imst“ herausgab, und die nicht nur in Bergsteigerkreise auf großes Interesse stießen. Dabei handelte es sich um einzigartige Kartenwerke, die in einer 20-teiligen Serie alpinistisch besonders interessante Gebiete der Ostalpen abdeckten, und – was die Besonderheit war – jeweils die Wegzeiten für die Wegstrecken in der Kartierung angaben.

Die gesamte Reihe Thönis Weg- und Distanzkarten. (Archiv Markus Wilhelm)

In zahlreichen Fotografien setzte Thöni seinen Bernhardiner „Cato“ ins Bild, quasi als Hommage an seinen treuen tierischen Weggefährten. Diese Praxis entwickelte sich nach und nach zum Markenzeichen. Er zeigte Weitblick, was seine Gäste schätzten: Den Widum ließ er schon 1901 um 12 Zimmer erweitern,[1] und auch sein Foto-Laboratorium stellte er seinen Gästen im Widum kostenlos zur Verfügung.[2]

Johann Georg Thöni war zudem ein Pionier des Skilaufs, einer der allerersten Skifahrer im Ötztal. Wie so häufig reagierten die Einheimischen auf diese Neuerung zunächst verhalten. Laut Überlieferung von Kreszenz Grüner 1982 reagierte ein Gurgler Bauer im Winter 1901/02, als Thöni die ersten Skier nach Obergurgl brachte, mit folgenden Worten: „Sall woaß i nuicht, daß man in Bargnen in Winter a so weitarkimmt.“ Dennoch gewannen diese winterlichen Fortbewegungsgeräte wie überall mehr und mehr Zuspruch so konnte schon 1908 in Vent die „I. Skipreisfahrt“ veranstaltet werden.[3]

Noch zwei Generationen später hatte man seine Person und sein Wirken gut in Erinnerung: „Fir’s Chrischtlache hat er viel mindar ibrig gehobm wia firs Touristische,“ meinte etwa Hannes Klotz aus Rofen 1982. Tatsächlich bemühte er sich Brücken zu schlagen, wo es in der touristischen Weiterentwicklung Konflikte gab. In der Zeit von 1900 bis 1909 nahm der Fremdenverkehr besonders infolge der neuen Ötztaler Straße Aufschwungund Vent wurde zur ersten Bergführerstation des Ötztales. Thöni setzte sich daraufhin dafür ein, dass in Vent die Messe sonntags zweimal gelesen werden durfte. Das bedeutete de facto eine zusätzliche Frühmesse um 4 oder 5 Uhr morgens, die es den Venter Bergführern ermöglichte, auch sonntags mit den Gästen auf Bergtour zu gehen.[4] Die sozialdemokratische Arbeiterzeitungen goutierte diese Maßnahme natürlich nicht. Unter dem Titel „Klerikaler Alpinismus“ berichtete man 1907 davon, dass sich „als besonderer Eiferer für die Sonntagsheiligung […] der Pfarrer Thöni aus Vent“ hervortat: „Allerdings nur für die Sonntagsheiligung bei den Bergführer, denn wenn jemand auch für die Kellnerinnnen in den Tiroler Pfarrerwirtschaften und in den großen Hotels, die der Kirche gehören, Sonntagsruhe verlangte, dann hieße es: ‚Das geht nicht mit Rücksicht auf den Fremdenverkehr.‘“[5]

Personal des Gasthaus zum Curaten 1904, mit Hund Cato im Vordergrund (Archiv Markus Wilhelm)

1908 verkaufte er schließlich den Widum „Gasthaus zum Curaten“, der in Folge zum Hotel Kleon wurde,[6] und erbaute einen wenig stabilen neuen Widum. Sein Nachfolger Pfarrer Schlatterer beklagte diese Tatsache, da er ohne das Gasthaus keinen guten Stand bzw. wenig Einfluss hatte. Seine Formulierung lautete: „Ein Pfarrer ohne Gasthaus ist in Vent eine Null.“[7]

Von 1911 bis 1916 war Johann Georg Thöni Pfarrer in Imsterberg, wo er mit seinen fortschrittlichen Ansichten auf wenig Sympathie stieß. So führte er dort etwa eine kräftigende, sonntägliche Suppe für alle ein, was Widerspruch erzeugte, da diese Suppe von der Allgemeinheit für die Ärmeren bezahlt werden musste.

Im Ersten Weltkrieg kam er von 1916 bis 1917 als Standschützenfeldkurat im Ortlergebiet zum Einsatz, bevor er noch vor Kriegsende als neuer Pfarrer in Umhausen präsentiert wurde.[8]

Ankünder in “Der Tiroler” am 27. Juli 1917, S. 7

1927 erwarb Johann Georg Thöni, zu dieser Zeit immer noch Pfarrer in Umhausen, den Gasthof Wiesle in Längenfeld – als Wiedergutmachung sozusagen. Ihm war zu Ohren gekommen, dass der Verkauf des Widums kritisiert wurde. So kaufte er den Gasthof Wiesle, der damals zum Verkauf stand, an, um ihn daraufhin der Pfarre Vent zu schenken. Der neue, von Thöni errichtete Widum in Vent wurde im Lawinenwinter 1950/51 übrigens massiv durch eine Lawine beschädigt, sodass die Gemeinde Sölden gemeinsam mit der Diözese einen festen Pfarrhof erbaute und dafür von der Pfarre Vent das Wiesle erhielt. Fortan verpachtete die Gemeinde Sölden den Gasthof Wiesle.

Der Gasthof Wiesle 1925, kurz vor dem Ankauf durch Johann Georg Thöni (Archiv Walter Falkner)

1930 schließlich wurde Johann Georg Thöni von Umhausen nach Wenns im Pitztal versetzt, wo er am 21.6.1936 als Pfarrer von Wenns verstarb.

(Edith Hessenberger)

 

  • [1] Markus Wilhelm: Johann Georg Thöni (1871-1936). Unveröffentlichtes Manuskript.
  • [2] Beatrix und Egon Pinzer, Ötztal, 1998/2008.
  • [3] Markus Wilhelm: Johann Georg Thöni (1871-1936). Unveröffentlichtes Manuskript.
  • [4] Markus Wilhelm: Johann Georg Thöni (1871-1936). Unveröffentlichtes Manuskript.
  • [5] Arbeiterzeitung, 8.6.1907, S. 6.
  • [6] Hannes Schlosser: Vent im Ötztal. Alpingeschichte kurz und bündig. Innsbruck 2012. S. 89-90.
  • [7] Franz-Josef Wagner: Das Wiesle. Wissen 1999. (Typoskript, Sammlung Walter Falkner) S. 2.
  • [8] Markus Wilhelm: Johann Georg Thöni (1871-1936). Unveröffentlichtes Manuskript.