Im Sommer 2021 stellen die Ötztaler Museen wöchentlich denkmalgeschützte Gebäude im Ötztal vor. Dazu zählt der “Alte Schießstand” in Sölden, der 2018 unter Denkmalschutz gestellt wurde. Denn das spektakulär errichtete Gebäude stellt eines der wenigen erhaltenen baulichen Beispiele für Propaganda-Architektur dar und ist ein Baudenkmal aus der Zeit des Nationalsozialismus.
Das NS-Regime legte in Tirol Wert auf die Inszenierung der Heimatkultur. Tiroler Tracht oder Volkstänze sollten die Zugehörigkeit zur Volksgemeinschaft und zum NS-Staat ausdrücken. Auch das Brauchtumswesen wurde im nationalsozialistischen Sinne gelenkt: so wurden alle Schützen-, Trachten- und Volkstanzvereine sowie Musikkapellen in eine Einheitsorganisation überführt: den Standschützenverband.
Dem Gauleiter und Landesoberschützenmeister Franz Hofer war das Schützenwesen ein besonderes Anliegen. Öffentlichkeitswirksam inszenierte er und förderte auch finanziell großzügig. Schießstände wurden modernisiert oder neu erbaut.
Ausschnitt aus der Wochenschau von 1941, Archiv Markus Wilhelm
Der Schießstand sollte dabei der Kirche als sonntäglicher Treffpunkt der ganzen Familie Konkurrenz machen. Das jährliche Tiroler Landesschießen in Innsbruck wurde zur größten Schießveranstaltung im Dritten Reich, die sich als riesiges Volksfest generierte. 1943 waren über 30.000 Teilnehmer anwesend.
Der Schießstand in Sölden
Der 1940/41 erbaute Schießstand in Sölden gibt ein deutliches Beispiel für die NS-Propaganda: mit der Inszenierung auf dem Felsen stellt es eine bauliche, hochaufragende Konkurrenz zum Bautypus Kirche dar. Der Heimatstil der Architektur und die Darstellung des deutschen Adlers sollten als Propaganda-Symbol für die Wehrhaftigkeit der Tiroler Bevölkerung wirken. Der hangseitige Eingangsbereich der Galerie war ursprünglich unverputzt. Das Wandgemälde mit dem Tiroler Schützen mit Tiroler Fahne sowie die Aufschrift Schützengilde Sölden dürfte nachkriegszeitlich sein. Im Inneren des Schießstandes findet sich eine Stube mit Wandverkleidung.
Beim Schießstand in Sölden handelt es sich um ein besonders anschauliches und zugleich auch seltenes historisches Zeitdokument eines verbrecherischen und kriegerischen Regimes, das sich der gesamten Bevölkerung bedienen, und diese für den Krieg missbrauchen wollte. Es steht daher auf die Initiative des Sölder Publizisten Markus Wilhelm hin seit 2018 unter Denkmalschutz.
In Kooperation mit dem Bundesdenkmalamt, dem Kunstkataster des Landes Tirol und der Gemeinde Sölden und mithilfe von Unterlagen aus dem Archiv Markus Wilhelm haben die Ötztaler Museen eine Informationstafel erstellt, die diese Woche montiert wurde. Die Tafel soll die Bedeutung des Gebäudes unterstreichen und besser nachvollziehbar machen, warum der alte Schießstand unter Denkmalschutz steht, bzw. auch warum es wichtig ist, mitunter auch Gebäude aus der NS-Zeit als Denkmäler unter Schutz zu stellen.
Wir sind übrigens weiterhin auf der Suche nach historischen Fotografien vom alten Schießstand in Sölden. Sollten Sie Aufnahmen vom Gebäude aus den 1940er oder 1950er Jahren haben, so würden wir uns über eine Nachricht oder auch einen Scan der Aufnahmen freuen! Wir freuen jedenfalls uns über Emails an: info@oetztalermuseen.at