Stellen Sie sich vor … Winterurlaub in Sölden 1945 … Wie erlebte ein Mann einst seinen ersten Urlaub nach dem 2. Weltkrieg vor 75 Jahren im Ötztal? In 26 Eintragungen vom 15.12.1945 bis zum 18.1.1946 schilderte Rudolf Gernat in seinem Tagebuch detailreich seinen Urlaub voller Winterzauber und kulinarischer Genüsse, nicht ohne so manchen sarkastischen Seitenhieb auf das „Tausendjährige Reich“ oder schmerzvolle Rückblicke auf die erst wenige Monate zurückliegenden Kriegserfahrungen.
Wir wissen sonst nicht viel über diesen „Oberoffizial“ Rudolf Gernat. Geboren 1890 in Wien, war er offenbar ein leidenschaftlicher Bergsteiger und Fotograf. Aus den 1930er Jahren sind bis heute in der Nationalbibliothek wunderbare Fotografien von Gernat aus den Ostalpen erhalten. Im Zweiten Weltkrieg wurde Gernat 1945, wenige Monate vor Kriegsende, im Alter von 55 Jahren im Rahmen des Deutschen Volkssturms rekrutiert, er tauchte jedoch in einem Schrebergartenhäuschen unter und rückte nicht mehr ein. Bereits 1949, drei Jahre nach Beendigung des Tagebuches, verstarb Gernat an einem Herzinfarkt.
Wir laden Sie in 28 Ausschnitten zu einer ganz besonderen Zeitreise ein: Winterurlaub im Sölden der Nachkriegszeit 1945/46. Wir danken Markus Wilhelm für das Zurverfügungstellen des Tagebuches aus seinem Besitz, sowie zahlreicher Fotografien zur Illustration.
Hier finden Sie das gesamte Tagebuch zum Durchblättern:
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„Weihnachtsurlaub in Sölden im 1. Friedensjahr“, so beginnt Rudolf Gernat im Alter von 55 Jahren seine Urlaubsaufzeichnungen. Doch die später idyllischen Beschreibungen werden eingeleitet von einem ausführlichen Rückblick auf die wirren und beängstigenden Monate, die vor diesem ersehnten Urlaub lagen. Geplagt von den Schikanen der russischen Besatzung, die in den Wohnhäusern einquartiert worden war, vermisst Gernat den vertrauten Sommerurlaub im Ötztal umso mehr: „Oh schöner Urlaub, schönes Ötztal, wo seid ihr [Berge] heuer, wann werde ich euch wiederum genießen?“ Als im Herbst klar wird, dass über die Weihnachtsfeiertage ein Urlaub erstmals wieder möglich sein wird, fasst Rudolf Gernat einen Beschluss:
„Und als der Winteranfang nicht mehr weit entfernt war, und die Nachricht, daß die Urlaube auch heuer, allerdings verkürzt, bewilligt wurden, hellte sich das schwer gedrückte, schwere Zeiten über sich ergehen lassen müssende Gemüt ganz plötzlich auf und die gefesselte Phantasie flog in die höchsten Regionen. […] Bei guter Rechnung konnten fast fünf Wochen ausgeklüngelt werden und so rückte ein Urlaub, diesmal ein Winterurlaub, mit Weihnachten bei gedecktem Tisch und warmen Ofen – nicht so wie in der Stadt bei leerem Tisch und kalten Ofen – in die Nähe, der das Herz fast hörbar schlagen ließ. Es blieb nur noch ein Weg zu finden, der über alle vier Demarkationslinien führte. Ha, wenn es sich ums Ötztal handelt, werden schlafende Energien wach. Der Weg, zwar etwas hindernisreich, ist selbstverständlich auch gefunden worden und als die Karte für den Schnellzug in der Tasche saß, stand das Himmelreich offen. All die schweren Sommertage, der schmerzliche Nahrungsmangel und die ungeheizten Räume knapp vor Winteranfang waren fast vergessen und sollten während mehrerer Wochen ganz vergessen werden.”
Samstag, 15. XII. 1945, war das Aufstehen am frühen Morgen nach langer, langer Zeit wieder einmal ein erhebendes Gefühl. […] Halb zwölf ist es gewesen, als ich mich mit raschen Schritten dem ruinenhaften Westbahnhofe näherte, von wo der Zug um 2 Uhr abfahren sollte. […] Mit Mühe und Gewaltanstrengung konnte ich ein kleines Stück in den Gang eindringen, der derart dicht bestanden und mit Koffern, Kisten, Rucksack überfüllt war, daß jede weitere Bewegung nicht mehr möglich war. Mit 2 1/2 Stunden Verspätung sind wir abgefahren. […] Und wenn der schöne D-Zug so wie diesmal zum unzählbaren Steh-Zug wurde, dauert eine Fahrt nicht länger, sondern eher lang und kommt um 8h früh nach 14stündiger Fahrt – anstatt um 5h nachmittags nach etwas mehr als 3stündiger Fahrt – ausgestanden in der Hauptstadt Oberösterreichs an. Knapp vorher waren die Räder wieder einmal gezwungen, eine Zeit lang still zu stehen, worauf die Russen uns das erstemal jeden einzelnen begrüßen kamen; wir hatten die berühmte Demarkationslinie erreicht. Nach langem Aufenthalt startete der ausgerastete Zug um sich der Brücke, die die Enns überquert, zu nähern. Kaum lag sie hinter uns, hat der D-Zug sich von neuem für längere Zeit zum Steh-Zug umgewandelt, da wir in „Amerika“ uns befanden. […] Wir standen von neuem, um kurze Zeit darauf schon wieder einen reizenden Besuch in unserem Abteil zu begrüßen, der zwar unbewaffnet, dafür aber mit einer Riesenspritze ausgestattet war. Männlein, Weiblein, Jung und Alt mußten sich gefallen lassen, einen Teil des Inhalts dieser Spritzen einerseits im Hemdkragen, andrerseits im Busenausschnitt wohl oder über aufzunehmen. Eine Prozedur, die prosaisch mit dem Wort Entlausung noch am richtigsten bezeichnet werden konnte. „Amerika“ wollte sich von einem eventuellen östlichen Zuzug schützen und allen eventuell noch Lebenden den Übertritt in ihre Zone ohne alliierten Reisepass höchstens tot gestatten.
Montag 17.XII.1945. Die wenigen Stunden bis zum Mittag wurden ausgefüllt mit einem Gang durch die vor Jahren schönste Stadt in unserem schönen Österreich. Groß ist der Unterschied von einst und jetzt. Herrlich schöne Kirchen wurden schwer beschädigt und viele Häuser zu Ruinen. Zum Glück beklagte die Tiroler Altstadt nur ein einziges zerstörtes Haus neben dem als Aussichtsturm sehr gerne aufgesuchten Stadtturm. Bas berühmte Goldene Dachl, das Helblinghaus, das Katzunghaus, blieben unversehrt.
Durch die Maria Theresienstraße führte mich der Weg zum Bahnhof, wo die Karte für den Zug ins Ötztal zu besorgen war. Der einst so schöne Südtirolerplatz bot jetzt bei Tageslicht ein Bild unglaublicher Zerstörung. Wo einst der Bahnhof stand, grinste eine Leere und die ihm gegenüberstehenden weltbekannten, großen, sauberen Hotels: rauchgeschwärzte und zerrissene Ruinen. Und aus all dem Chaos wollte einer, der als genialster Feldherr aller Zeiten sich beschimpfen ließ, in sag und schreib zwei Jahren alles wieder neu und schöner noch erstehen lassen. Ob wieder in Barocken- oder in Barackenstil, konnte während seines kurzen Tausendjährigen Reiches nicht entschieden werden.
Dienstag 18. XII.1945. Mitternacht hat es geschlagen, schon bevor der Wagen letztmals still stand. Nichtsdestotrotz hat diese Reise gut geklappt und Langvermisstes, Schönes wieder sehen und erleben lassen. Welch göttliches, beruhigendes Hochgefühl, als die Nagelschuhe wieder Söldener Boden, dieses mal mit reichem Schneebelag, berührten. Der hundertemal gegangene Weg hinauf nach Grünwald hat von seinem Reiz nicht nur nichts verloren, sondern eher noch was profitiert, da er erstens eine ungestillte Sehnsucht war und zweitens in der mondbeschienenen Winternacht märchenhafte Bilder sehen und bewundern ließ. Der im Sommer sich so wild gebärdende Rettenbach rumorte nur ganz leise unter meterdicken Eiskolossen. Kaum war das schnee- und eisbeladene Brückerl überschritten, lag der einsame, vertraute Weiler Berghof vor dem ewig rinnenden Brunnen, dessen Wasserstrahl sich in einen Eiszapfen umgewandelt umgewandelt hatte, greifbar nahe. […]
Freudigst wurde ich empfangen und trotz der frühen Morgenstunde saß ich mit den guten Leuten lange in der Küche bei fast unbekannt gewordener Milch und ebenso lang vermisstem Butterbrot. Als all die schrecklichen Erlebnisse der vergangenen Zeit geschildert und die Schilderung der gut verbrachten Zeiten, der im Ötztal wie im Himmelreich Lebenden mit Befriedigung zur Kenntnis genommen waren, hat die Uhr die zweite Stunde schon verkündet, sodaß der Rückzug in den ersten Stock nun angetreten werden konnte. Viele Hindernisse lagen auf dem langen, weiten Weg von Wien bis Sölden, alle wurden überwunden, sodaß die wohlige Befriedung, die sich in der horizontalen Lage wieder einmal feststellen ließ, keiner Steigerung mehr fähig war.
Mittwoch 19. XII. 1945. Reichlicher, aber wässriger Schneefall war das erste das ich sah, als es acht geschlagen hat und das zweite, eine halbe Stunde später, war das mehr erfreuliche kalorienreiche Frühstück. Um 10 Uhr war ich startbereit um nach Sölden abzusteigen. In den niedrigeren Regionen haben sich die dichten Flocken bereits in Wassertropfen umgewandelt.
Nach Besuch bei Bekannten und der Post kehrte ich zurück zum lang nicht mehr gesehenen Tiroler Gröstl dem ein ebenso lange nicht genossenes Apfelmus folgte. Um die dritte Stunde löste ich mich von der wohligen Ofenhand los, um, da es in die niederen Regionen regnete, die höheren Regionen aufzusuchen.
Die im Sommer ihre Anziehungskraft nie verfehlende Edelweißhütte war das Ziel des heutigen Nachmittagsausflugs, zu dem ich mich für alle Fälle mit dem Pickel auf die Beine machte. Knietiefe Löcher ließ ich in den mächtig angehäuften Schnee zurück und wo er nur in dünnen Schichten angetroffen wurde, konnte man auf Eis wohl rechnen. Da tat der Pickel gute Dienste. Kaum eine Stunde lang durchwühlte ich das massig angehäufte Element im Wald, als die letzte Steigung vor mir lag, die direkt zum einsam stehenden, tief verschneiten Hütterl führte.
Donnerstag 20. XII. 1945. Tauwetter. Die schöne Weiße ringsumher war heute von sehr ausgedehnten grünen Flächen unterbrochen und wo der Schnee infolge seines Reichtums Wärmegraden standhielt, war er weich und wässrig, weshalb ich diesen Vormittag der angenehmen Stube treu blieb. – Ein äusserst reichlich, fettes Mittagmahl, das mit butterübergossenen Kartoffeln eingeleitet wurde, dem eine kleine Pyramide Buchteln, die von süßer Milchsauce begleitet waren, folgte, ließ den entfallenen Vormittagsspaziergang bald vergessen.
Zur Förderung des in reichem Maß Genossenen, entschloß ich mich am Nachmittag, die Patschen aus und die Nagelschuhe anzuziehen. Der Besitzerin der gestern aufgesuchten Edelweißhütte, die zur Winterszeit in Sölden haust, galt der heutige Nachmittagsbesuch, wo ich freundlichst aufgenommen und bewirtet wurde. Lange dauerte das Plauderstündchen, sodaß ich in der Dämmerung den Rückmarsch antreten musste. Gespensterhaft erhoben sich die Bergkolosse in der Runde in den dunklen Himmel, reizend anzuschauen waren die vereinzelt hellen Fenster in der dunklen Tiefe und die silhuettenhaften Häuserin, aus denen Lichtstrahlen in das Äussere flohen. Je mehr die lichten Punkte in der Tiefe sich entfernten, je mehr vergrösserte und näherte sich der eine Lichtpunkt, dem ich zuzustreben im Begriffe war.
Freitag 21. XII. 1945. Ein klarer, etwas kälterer Morgen lachte um die 8. Stunde durch das Fenster. Vom Bett aus traf dar Blick geradeaus den südlich steil der mächtigen Bergkolosse in dem Kranz ums schöne Sölden, dessen hohe, ewig schneebedeckte Spitze von den ersten Sonnenstrahlen angeleuchtet, in zartem Rosarot erstrahlte. Welch herrliches Empfinden gleich nach dem ersten Augenaufschlag, schon vom Bett aus, die großen Wunder der Natur zu schauen und zu genießen. […] Gestärkt an Leib und Seele, konnte wohl die warme Stube mit der kälteren Außenwelt vertauscht werden. Klein Ernstl ließ es sich nicht nehmen, mich trotz der Kälte zu begleiten. Das Ziel war heute wieder einmal die Post in Sölden. Springend, schleifend stürmte er an meiner Hand die schnee- und eisbedeckten Flächen tieferwärts. Angstgefühle, Furcht und Vorsicht, scheint der Jugend im Gebirge unbekannt zu sein, lustig, temperamentvoll und gesprächig zerrte er mich mit Kraft die steilen Hänge abwärts, sodaß ich stellenweise mit dem Gleichgewicht bald in Konflikt gekommen wäre. Trotz des steilen, glatten Weges, konnten wir beruhigend konstatieren, daß bei der Post im Tal zwei Hosenboden nichts von ihrer Trockenheit eingebüßt hatten.
Samstag 22. XII. 1945. Auch diesen Morgen lachte wieder blauer Himmel durch das Fenster, sodaß nach der befriedigenden Kalorienzufuhr der warme Innenraum freudigst mit dem kalten Außenraum vertauscht werden konnte. […] Bald lagen die verträumten, schneebeladenen Bauernhäuser hinter mir, worauf der eingefrorene Rettenbach schon in die Nähe rückte. Gleich war die Pension See, das einsam stehende Häuserl auch erreicht, von wo das Bergkapellerl oben in Grünwald schon das nahe Ende des in sonniger, reiner Bergnatur unternommenen Spaziergangs angezeigt hat.
Hochbefriedigt saß ich um die Mittagszeit im Herrgottswinkel bei fast unbekannt gewordenen Würstchen, Kraut und Kartoffeln und einer großen Schale Milch. Ganz egal, ob innerhalb oder ausserhalb des Hauses, stets umgab mich friedensmäßig, stimmungsvoller Zeitvertreib.
Sonntag 23. XII. 1945. […] Das einsam stehende Marterl oberhalb des Weilers Berghof rückte immer näher und als es auch von oben herab gesehen werden konnte, war der zeitvertreibende, schöne Nachmittagsspaziergang abgeschlossen. In der wohligen Stube angelangt, konnte durch das Fenster all die Pracht, die unter einem blauen Himmel glänzte, noch lange Zeit genossen werden.
Erst die mehrmals multiplizierte Tiroler-Knödelsuppe, der ein gaumenbetörender Apfelkuchen folgte, lenkte den in die Ferne gerichteten Blick dem nahen Herrgottswinkel zu. Ein herrlich schönes Wohlbehagen machte sich breit. Auch dort verließ ich die gemütliche Ofenbank erst dann, bis die erhaltene Jause sich so weit gesenkt hat, damit die zweite Jause, die mich zuhause bei der Rückkehr stets erwartete, nicht durch Platzmangel zurückgewiesen werden müßte.
- Montag 24. XII. 1945. Der heutige Heilige Abend sollte einen ganz besonderen Reiz erhalten durch einen Aufstieg nach Hochsölden, um den tief verschneiten Erdenwinkel von der Höhe aus zu bewundern. Die durch schwer mit Heu und Holz beladenen Schlitten ausgefahrene, steile Bahn, erleichterte den Marsch zur Höhe. […] Hochbefriedigt, diese hohe, große Stille und diese stille Größe der erhabenen Hochgebirgsnatur am Heiligen Abend im Alpenfrieden in vollen Zügen ausgekostet zu haben, konnte ich beim Abschied dem Alpenfrieden ein herzliches Auf Wiedersehen zurufen.
Rasch ging der Abend hin. Ernst und Karl gingen heute zeitlicher zu Bett, denn Karl wollte mit dem Papa zur Mitternachtsmette gehen. Um die elfte Stunde wurden nun die Kinder aufgeweckt, da das Christkind eben angekommen war. Schlaftrunken taumelten sie zur Türe rein, die sonst so selten stillen Mäuler aufgerissen, den Blick dem hellerleuchteten Christbaum zugewandt. Aber nur so lange bis sie die verschiedenen Geschenke unterm Baume freudevollst bemerkten, worauf die kleinen offenstehenden Mäuler wieder in Bewegung kamen. Glückstrahlend, lärmend, spielend, naschend, verlebten sie, und ich muß gestehen auch ich, glückliche Minuten. Schwer konnte sich der startbereite Karl von den vielen Gaben trennen, um zur rechten Zeit im Dorf zur Mette zu erscheinen. Mama Kneisl hütete das Haus mit Ernst dem Jüngsten und mir, dem Ältesten, lange saßen wir noch in der warmen Stube bei süßem Tee und ebensolchen Keks. Mitternacht war längst vorbei als sich aus der weihnachtlichen Stube Alt und Jung, aber lauter Glückliche, entfernten, um im Traumland die vergangenen glücklichen Stunden nochmals zu erleben.
Dienstag 25. XII. 1945. Neun Stunden nach der mitternächtlichen Bescherung saß ich wieder auf der Ofenbank, die ich bald verlassen musste um dem Frühstückstisch, im trauten Herrgottswinkel mich zu nähern. Der nahrhaft gute, tägliche Göttertrunk war heute von schon lange nicht gekanntem Milchbrot, selbstverständlich in der Mehrzahl, begleitet und die Butter wurde von dem weihnachtlichen, nur hier bekannten und gemachten, äußerst nahrhaften, aus Zucker, Butter, Weizenmehl in einem sahnegefüllten Kessel eine Stunde lang gerührten Leckerbissen, dem hier benannten Tiroler-Schmalz, vertrieben. Kaum war es mit dem Löffel auf dem Milchbrot aufgetragen, schwelgte schon der Gaumen und die Zunge in ganz unbekannten Sphären. Nach Abschluß dieser andachtsvollen Zeremonie konnte nicht verheimlicht werden, daß die Beweglichkeit für längere Zeit touristischem Ehrgeiz hinderlich gewesen wäre. So zog ich mich halt wieder auf die warme Ofenbank zurück, verdaute, zeichnete bewegliche Ringe in die Luft und betrachtete das unaufhörliche Fallen dichten Schnees, das erst die richtige Weihnachtsstimmung schuf.
Oh schönes, friedliches, sorgenloses Österreich, habe ich von dir so lang geträumt oder träume ich noch jetzt von Braten, knusperig und duftig, braun geröstete Kartoffeln, Preiselbeeren, Kuchen, Wein.
Mittwoch 26. XII. 1945. Trotzdem das dauerhafte Schneetreiben fortbestand, wollten die Genagelten nicht länger nah der warmen Ofenbank in Ruhestellung bleiben. Zum verträumten Innerwald steuerten sie nun wieder und ich muß gestehen, daß ein sorgenloses Wandern durch den Schnee bei dichtem Nebel auf bekanntem Wege äusserst reizvoll ist. Beim Rückmarsch in der Dämmerung konnte sich das Aug an seltsam schönen Bildern lange Zeit ergötzen. Der Nebel hat die Flucht zur Höhe angetreten und verlor in diesen Regionen seine Dichte. Wie ein leichter Schleier umkreiste er die hohen, mit Neuschnee reich beladenen Gipfeln. Die letzten roten Sonnenstrahlen beleuchteten nicht allein die. Gipfeln sondern auch die sie umwallenden Nebeln, die in blasses Rot getaucht, ein seltsam schönes Bild in diesen friedlichen Erdenwinkel zauberten. Wie reich ist doch die herrliche Natur. Hochbefriedigt kehrte ich zurück, die Lungen, voll mit frischer Luft, die Augen voll mit stimmungsvollen, seltenen Hochgebirgsbildern. Solche Weihnachtsfeiertage zu verleben, können auch im Traum nicht schöner sein.
Donnerstag 27. XII. 1945 und auch am Freitag 28. XII. 1945 hat das Schneien nachgelassen. Über Mangel an Schnee konnte niemand Klage führen. Berechtigt wäre vielleicht die Klage gewesen, daß die Temperatur gestiegen ist. Wo die letzten Tage Nebel war, war jetzt makellose Reinheit, Klarheit. Glanz.
Samstag 29. XII. 1945. Zur Mittagszeit saß ein Zufriedener in der Stube, durch dessen südliche Fenster der hohe Nöderkogel, durch dessen östliche der schöne Brunnenkogel ihre Majestät bewundern ließen. Als der Blick durchs Fenster von den hohen Gipfeln unbeweglicher Größen in die Niederung zurückfand, traf er dort ganz nah dem Hause auf zwei bedeutend kleinere, bewegliche Größen. Fünf und sieben Jahre standen schon, oder richtiger flitzten auf den kleinen Skiern über steile Hänge, machten Schwünge und der Ältere sogar schon Sprünge. Mit erstaunlicher Geschicklichkeit und Wendigkeit, sausten sie den steilen Berg hinunter und konnten knapp vor einem steil abfallenden Hang zum Stillstand kommen. Genußvoll war der Zeitvertreib für die Akteure, sowie für den durchs Fenster schauenden, staunenden Bewunderer. Nicht weniger Bewunderung hatte bald darauf der durch das Fenster gerichtete Blick bei seiner Rückkehr in den Herrgottswinkel ausgelöst, als er Mama Kneisls Küchenkunst bewundern konnte. Der dicken, guten Reissuppe folgten Butterkartoffeln, denen sich ein großer Teller Buchteln anschloß, die von schmackhafter Vanillensauce und einer großen Tasse Milch begleitet waren. In welch unermesslich großer Ferne lag das plötzlich hingeschiedene Tausendjährige Reich mit seiner knappen Rationierung.
Sonntag 30. XII. 1945. Nach dem Kirchgang zieht der Zug der Gläubigen, wie es im Gebirge Brauch ist, stets dem Gasthaus zu. Ein kleines Weilchen später folgte in derselben Richtung ein scharmanter Nachzügler, der sich bald als die Erwartete entpuppte. Frohe Stimmung lag auf einem christlichen und auch auf einem „heidnischen“ Gesicht. Lachend, scherzend, schlugen wir den Weg zur Windachschlucht ein, der aber wegen des ungallanten Schneesturms aufgegeben werden mußte. Der Wunsch, von der unbekannten Gegend wenigstens ein Stückerl kennen zu lernen, ließ uns aber trotzdem weiterwandern, nur schlugen wir die nicht so sehr dem Winde ausgesetzte Straße ein, die über Wohlmuth nach dem Weiler Pitzen führt. Von dem versteckten Weiler in dem kleinen, runden, abgeschlossenen Kessel trabten wir den tief verschneiten Waldweg aufwärts, der zum Weiler Innerwald führt. Trotzdem der permanente Schneefall einen Vorhang vor die Pracht des Hochgebirges legte, der den Blick in weite Ferne sehr behinderte, konnte dieser Wanderung ein eigenartiger Reiz nicht ganz abgesprochen werden. Knapp vor dem Verlassen des in neuem Kleide aufgeputzten Waldes, balancierten wir mit Vorsicht über stark vereiste Wasserläufe um gleich nachher die Nagelschuhe in teils fertige, teils neu anzufertigende tiefe Löcher in den Schnee bis zu den Knien zu versenken. Die männlichen Knie fanden dies Versteckenspiel sehr amüsant, von den weiblichen kann ich nichts berichten.
Montag 31. XII. 1945. Am Nachmittag suchte ich im Tal die sehr sympathischen Besitzer der ebenso sehr sympathischen Edelweißhütte auf um meine Neujahrswünsche gegen eine gute Jause einzutauschen. Und wieder, wie schon einmal stampfte ich durch tiefen Schnee in der Dunkelheit den Berg hinan, um noch zur rechten Zeit zur zweiten Jause in Grünwald einzutreffen. Ernst und Karl sorgten, so wie stets, dafür, daß keine Langeweile bis zum Nachtmahl aufkommen konnte. Das heutige, letzte in diesem sehr ereignisreichen Jahr, hatte einen unvergesslich schönen Namen; Tiroler Schmarrn mit Preiselbeeren. Kaum daß dasselbe der Vergangenheit angehört hat, saß nicht nur ich, sondern auch die gute Familie auf und um der Ofenbank bei einem Spielchen, das um die Mitternachtsstunde für kurze Zeit unterbrochen wurde, um den Abzug des ereignisreichen, alten und den Einzug eines hoffnungsvolleren neuen Jahres bei Speck und Brot und Keks und Wein zu feiern. Frohe Stimmung herrschte in dem friedlichen Erdenwinkel, die den einzigen Wunsch nur offen ließ, daß dieselbe bis zur nächsten Neujahrsfeier ohne Unterbrechung dauern möge. Nahezu zwei Stunden war das Neue Jahr schon alt geworden, als das zeitvertreibende Spiel, die fröhlich feuchte Feier, die behagliche Gemütlichkeit sich von einem ebenso behaglichen Schlaf verdrängen lassen musste.
Mittwoch 2. 1. 1946. Selbst das gepriesendste Stahlbad im versunkenen „Tausendjährigen Reich“ wäre nicht imstand gewesen, das kurze winterliche Sonnenbad im schönen aus der Heimkehr endlich wieder zurückgekehrten Österreich aus dem Feld zu schlagen. Beim ersteren bestand Gefahr, daß, wenn schon nicht das Leben draufgeht, vielleicht die Nirnderln hätten herausgenommen werden müssen, während hier bei letzterem das Leben fortging und allerdings geröstete Nirnderln hineingenommen wurden, die sich mit fast unbekannt gewordenem Reis sehr gut vertrugen. Zu Käs und Butterbroten, die dann folgten, gehört natürlich Milch dazu, die den Abschluß des gesegneten Winterurlaubstages bildete. Ein Tagerl ist schon wieder weggelaufen, weiß und sonnig, wunschlos und zufrieden wie eine Braut, bevor sie sich zum Traualtar begibt.
Donnerstag 3. I. 1946. Zehn bewegungslose Stunden sind vergangen, als die Beine wieder mit dem Boden in Berührung kämen. So wie jeden Morgen, warteten auch heute wieder vor der Zimmertür zwei kleine, temperamentvolle Kinderhaxerln um sich gleich nach dem oft lang erwarteten Austritt aus dem Zimmer auf die Zehen der bedeutend älteren Füße zu placieren. Zwei verschiedenaltrige Beine setzten sich zu gleicher Zeit vor zwei in Ruhestellung sich befindliche, wobei die älteren aktiv, die jungen passiv an der Vorwärtsbewegung beteiligt waren. Die beiden anderen, zurückgebliebenen Beine mußten stets dasselbe Kunststück fertigbringen, damit kein Stillstand folgen könne. Der Spaß erreichte täglich seinen Höhepunktnatürlich bei der Jugend als die Fahrt durchs Stiegenhaus hinunterführte. Angekommen in der wohligen Stube, durfte ich mich wieder ohne den gewichtigen Druck auf Rist und Zehen frei bewegen, worauf die eine Befriedigung ihr Ende, die andere ihren Anfang nahm.
Freitag 4. I. 1946 und Samstag 5. I. 1946 unterschieden sich in nichts von den vergangenen Tagen. Die Kälte hat zwar etwas nachgelassen, der blaue Himmel überwölbte aber doch von früh morgens bis spät abends das stille, winterliche, weiße Paradies, sodaß die Vor- und Nachmittage mit genußvollen Abend Aufstiegen ausgefüllt werden konnten. Ganz besonders reizend war der Samstagnachmittagsausflug, der an der Ache südwärts über Windau durch die wildromantische Kühtrainschlucht nach Zwieselstein führte. So wie immer fesselte auch heute wieder der Blick hinunter in die tiefe, schnee- und eisgepanzerte Schlucht mit ihren wenigen offenen bläulichgrünen Wasserstellen. Bis gepanzerte Felsenmauern nah am Wege, davor ein ungeheurer Eiszapfenvorhang in hellen, bläulich-grünen Tönen gleißend, die Kronen mächtiger Nadelbäume reich geschmückt mit weissen Hauben, die neben dem schmalen Waldweg leise rauschende, eisblockangefüllte Ache, machten diese winterliche Schluchtdurchquerung zu einem seltenen Genuß. Kurz nach Austritt aus der Schlucht, führt der unterm Schnee versteckte Weg zum letzten Ort des Ötztals, den an der Gabelung der Gurgler- und der Venter Ache gelegenen Zwieselstein.
Sonntag 6. I. 1946. Heiligen drei Könige. Ein großer Feiertag in Tirol, der, begünstigt durch das unbeschreiblich schöne Wetter, alle Wünsche übertraf. […] Um 3 Uhr nachmittags flog ich wieder aus, begleitet von Klein Ernst, der unbedingt nach Innerwald wollte, wo auf ausgedehnten Übungswiesen Jung und Alt, teils auf Skiern, teils auf Hosenböden, ihre Künste zeigten. Interessiert, mit staunenswerten Fachkenntnissen, verfolgte und kritisierte er die guten und die weniger guten Leistungen und war begeistert von den schneidigen Schwüngen einiger der besten Fahrer. Die Dämmerung war bereits im Anzug, die Wärme in den Füßen schon im Abzug, als wir uns von unserem Steh- und Schneeplatz wieder heimwärts zu bewegten. Hochbeglückt, begeistert, den Nachmittag so angeregt verbracht zu haben, stürmte Ernst ins Haus, um seiner Mama das Geschaute in den grellsten Farben sprühwarm zu schildern.
Montag 7. I. 1946 bis Samstag 12. I. 1946 hat die Gefahr, gefrorene Ohrenspitzeln zu bekommen aufgehört zu existieren, da der Südwind wärmere Luft ins Ötztal brachte. Da konnten die diversen Vor- und Nachmittagsspaziergänge ohne Überrock durchgeführt werden. Nach Abschluß jeder Vormittagswanderung konnten stets die warmen Sonnenstrahlen am Bankerl vor dem Hause, teils sitzend und einigemale sogar liegend aufgefangen werden, sodaß sich, die sonst helle Farbe des Gesichts in einen etwas dunkleren Ton verwandelte. Welch wohliges Empfinden durchdringt den sonneumgebenen, ausgestreckten, winterlichen Sonnenbäder im Gebirge unter einem blauen Himmelszelt. Hast, Erregung, Nerven, Sorge existieren nicht und verblassen selbst in der Erinnerung. Göttlich schöner Frieden, himmlische, behagliche Ruhe erfüllten nicht; nur das am ersten Schöpfungstag erstandene, sondern auch das knapp vor Wochenende aus geführte, später eine Rippe opfernde Meisterwerk vergangener Zeiten. Da auch die gegenwärtige Zeit nicht stille stand, lösten die genießerischen Stunden die beschaulichen stets ab. So verflogen die im Märchenland verlebten, mit seelischen und physischen Genüssen reichen Tage, nicht so wie die beschwerliche Fahrt hierher im Steh-Zugstempo sondern mit der dort vermissten Schnelligkeit des D-Zugs.
Montag 14. I. 1946. Das Schneien dauerte die ganze Nacht noch an. Schwer beladen waren all die Dächer, die Lattenzäune hatten weiße Hauben genau so wie das kleine Türmchen unserer Bergkapelle, die Wege waren unsichtbar, die ganze Landschaft eine makellose, weisse Fläche, frischer Winter ist ins Hochgebirge eingezogen, der zu gleicher Zeit ein Lüfterl mitgebracht und die Quecksilbersäule des Thermometers 25° unter Null gepresst hat. Wie genußvoll ist der Blick durchs Fenster einer warmen Stube auf ein tiefverschneites, winterliches Landschaftsbild im Hochgebirge. Wo der Blick auch hinfällt, alles glänzt und gleißt wie flüssiges Silber. Was selten noch der Fall war, an diesem Vormittage konnten die Genagelten in Ofennähe rasten und die Knie die meiste Zeit einen rechten Winkel machen.
Dienstag 15. 1. 1946. Vor einem Monat beim Erwachen träumte ich noch mit offenen Augen von dem Einzug in das Paradies. Dieser Traum ist schönste Wirklichkeit geworden. Weniger schön war diesen Morgen beim Erwachen der Gedanke, daß der in einigen Tagen bevorstehende Auszug aus dem Paradiese, das ländlich-glückliche, sorgenlose Leben in die derzeit weniger versprechende Großstadt zurückgeschleudert wurde. […] Vor der Zimmertür erwartete mich, wie jeden Tag, mein kleiner Freund, hinter der Stubentür dann der gedeckte Frühstückstisch. Die Kälte hat nur wenig nachgelassen, aber trotzdem kehrte ich der warmen Ofenbank den Rücken um der gut Bekannten Familie Fiegl, die ihr aussichtsreiches Häuserl unterhalb Grünwald auf steiler Bergeslehne stehen haben, meinen baldigen Abschied anzuzeigen. Die herzensguten Leute drückten mir die besten Wünsche für die Zukunft aus und ein fettes, großes Packerl in die Hand, das mir über die erste Zeit hinweghelfen sollte. Vor dem Mittagsmahl betrat ich wieder meine leibgewordene Stube, in der ich selbst in kriegerischen Zeiten die friedlichsten und sorgenlosesten Stunden vieler Urlaubsmonate ausgekostet habe.
Mittwoch 16. I. Wenige Schitte nur erforderte der Nachmittagsspaziergang, der im Nebenhaus bei Kneisls Schwestern endete, wo die erste Jause aber ihren Anfang nahm. Beim Abschied konnte ich glückstrahlend konstatieren, daß mein während eines Monats zugenommenes Lebendgewicht um ein unterm Arm nachhausegetragenes fettes, längere Zeit Ernährungssorgen verjagendes totes Gewicht, eine hochwillkommene Erhöhung registrieren konnte. In diesen paradiesisch schönen Urlaubstagen lösten sich die gemütserregenden Vor- und Nachmittagsausflüge und die lang vermissten wohlempfundenen Magenfreuden ständig ab, sodaß ich mich stets wunschlos in die höhere Region, wo die Beine südwärts und der Scheitel nordwärts ausgerichtet wurden, zurückziehen konnte.
Donnerstag 17. 1. Das unbeschreiblich wonnige, behagliche Gefühl, das um die achte Stunde während dieses unvergesslich schönen Winterurlaubes täglich meine Brust erfüllte, war heute nicht ganz frei von einer leichten Trübung. Der letzte Urlaubstag war eben angebrochen, der einen Schlußpunkt hinter ein im Wachzustand geträumtes Märchen setzen sollte. Den Gedanken, wo die Blicke nächste Woche hingeworfen werden könnten, bemühte ich mich vorderhand noch abzudrängen. […] Dem letzten Mittagmahl folgte nach besinnlicher Verdauungsrast ein letzter Nachmittagsspaziergang, um in Sölden einen letzten Abschiedsbesuch zu machen.
Freitag 18.I.1946.
Von meinen Bergen muß ich scheiden wo’s gar so lieblich, gar so schön!
Kann nimmer im Gebirge bleiben, muß in die weite Ferne gehen, werd dich nun lange nimmer sehen.
Du liebes Land, behüt’ dich Gott, wo ich so gern auf stillen Höh’n geschaut das goldene Abendrot. Bei deinen tausendfachen Gaben, da war mir’s Herz so froh und wohl, es blickte da so gern nach oben, wo’s noch viel schöner werden soll.
Drum wird es mir nun gar so bange und tut mir’s in der Seele weh; es bleibt nur eines mein Gedanke, ach’ daß ich dich bald wiederseh!
Dieses treffliche Gedicht ist nicht von mir, passte aber ausgezeichnet zu der Stimmung, in der ich mich um 4 h morgens, beim Verlassen meines Betts befand. […] Der Rucksack grinste wieder, wie fünf Wochen vorher, aber doch nicht mehr so aufreizend, da der Inhalt eine günstige Wandlung zu verzeichnen hatte und es ausserdem bergab gehen sollte, alles andere als verführerisch seinen Träger an. Lauter Schattenseiten leiteten den frühen Morgen ein, die am nächtlichen frühen Frühstückstisch im trauten Herrgottswinkel vom hellsten Licht sogleich verdrängt worden waren. Das erste Frühstück in den Bergen war ein Göttermahl, die folgenden nicht anders und vor dem letzten heut zum Abschied, mußten sich selbst die vergangenen verstecken. Vier nahrhaft gute Butterbrote, drei Tassen Milchkaffee und extra noch, damit der Wanderer auf seiner letzten Tour nicht schwach wird, ein Leckerbissen all’anglaise, der auf Wienerisch noch am besten mit Eggs und bacon zu bezeichnen wäre. Solch wiedererstandene Wunder ließen Zeiten auferstehen im Geiste, die tausend Jahre vorher mit Sieg-Heil vom Teufel aufgefressen wurden. Kaum war das Frühstück unsichtbar geworden, mußte ich mich von dem heimeligen Herrgottswinkel trennen, um von Mama Kneisl, die auf der warmen Ofenbank Zurückbleiben durfte und von Papa Kneisl Abschied zu nehmen. Hach einem festen, langen Händedruck und den besten Wünschen für die nähere Zukunft sowie der gern gegebenen Versicherung, daß mich ihre freundliche Einladung, im Sommer wieder zu kommen, glücklich macht, legten sieh zwei Riemen um die Schultern worauf ich unwiderruflich die Tür von aussen zumachen mußte.
[Ende des Tagebuchs]
Nachwort
Wir bedanken uns herzlich für die zahlreichen freundlichen Rückmeldungen zu unserer Tagebuch-Zeitreise mit Rudolf Gernat. Besonders gefreut haben uns die Zusendungen von Postkarten und Fotografien aus dem Besitz von Fam. Stefanie Kneisl aus Sölden. Darunter war eine Postkarte, die Rudolf Gernat 1948 zur Ankündigung seiner baldigen Ankuft an Alois und Maria Josefa Kneisl in Grünwald schrieb, sowie eine Fotografie von Gernat selbst mit seiner Schwester wenige Monate vor seinem Tod. Am 23. Juli 1949 verstarb Rudolf Gernat an einem Herzschlag in Wien.
Die lange Tourismusgeschichte des Ötztals birgt noch 1000e bewegende Geschichten über Beziehungen von Gästen und Gastgebern im Ötztal. Sollten Sie ähnliche Schriftstücke, Unterlagen, Fotografien oder Briefwechsel zuhause haben, so freuen wir uns über Ihre Kontaktaufnahme unter info@oetztalermuseen.at!