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Waalwanderung
stieß auf großes Interesse

Vergangenen Freitag führte Werner Holzner eine beachtliche Gruppe an Interessierten entlang der historischen Waalanlagen am Eingang des Ötztals. Holzner dokumentierte in den vergangenen Jahren mit der Tiroler Waalgruppe alle Waale im Ötztal und gab bei der Exkursion sein umfangreiches Wissen weiter.

Gut sichtbar: ein aktiver Waal entlang der Exkursionsroute auf Haiminger Gebiet.

Heute, wo Wasser und Bewässerung vor dem Hintergrund des Klimawandels wieder zunehmend Thema sind, stoßen die alten Waalsysteme, die vielfach mehrere Jahrhunderte alt sind, wieder auf großes Interesse. Werner Holzner berichtete im Rahmen der Exkursion von seiner Arbeit und gab sein Wissen über Waale im Allgemeinen, und die Ötztaler Waale im Besonderen, weiter. Nachfolgend wird aus dem Exkursions-Handout von Werner Holzner zitiert:

“Waale sind Bewässerungskanäle – lat. aquaeducti – errichtet entweder im Trockenmauerwerk oder als Holzrinnen, die das Wasser der Bäche in die Fluren leiteten, um durch Berieselung die Erträge von Gras, Flachs oder Obst abzusichern und zu steigern.

Bekannt sind vor allem die Südtiroler Waale, wo in den 1990er Jahren noch ca. 40 Waalwege existiert haben. Bekannt sind auch die Waale im Schweizer Kanton Wallis, wo sie aber nicht Waale, sondern Suonen im deutschsprachigen oder Bisses im französisch gesprochenen Teil genannt werden. Im Aosta Tal Italiens nennt man die Bewässerungskanäle Ru.

Doch auch in Tirol gibt es Waale und zwar im Oberinntal und in dessen Seitentälern: insgesamt mehr als 1.000. Die Waale Tirols sind weniger bekannt, weil man sie in erster Linie für die Bewässerung der Wiesen gebaut hat und weniger für die Obstgärten. Weingärten kamen in Tirol ohnehin nicht in Frage. Die Bewässerungstechnik mit Waalen in Südtirol, im Wallis, in Aosta und in Tirol kann 800 Jahre zurückverfolgt werden und muss deshalb als Kulturdenkmal betrachtet werden. Die traditionelle Bewässerung im niederschlagsarmen Inneralpengebiet ist auf juridischer Basis des Römischen Rechts und auf bautechnischer Basis Vitruvs seit dem ausgehenden hohen Mittelalter (um 1200 AD) von Ministerialen des Bistums von Chur den Bauern beigebracht worden.

Was dann im Laufe der Jahrhunderte von den Bauern geleistet worden ist, ist technisch phänomenal und eine Glanzleistung von Organisation im Rahmen ihrer sozialen Strukturen. Die heute noch sichtbaren Spuren erzählen bildhaft und mit schriftlichen Dokumenten die Geschichte des Landes Tirol. Sie erzählen von der Präsenz des Menschen und – wie Hanspaul Menara es in seinem Buch „Südtiroler Waalwege“ ausdrückt – von dem, was seit frühester Besiedlung die Kulturlandschaft erst zu einer solchen werden ließ.

Waale sind ein Kulturdenkmal ersten Ranges. Dass ein Waal unwirtschaftlich sei, ist kein Argument. Viele historische Bauten sind genauso unwirtschaftlich, aber ihren Erhalt wollen wir trotzdem. Der kulturgeschichtliche Wert der Waale wird von den meisten Menschen nicht erkannt. Die traditionelle Bewässerung wurde durch die beiden Weltkriege arg in Mitleidenschaft gezogen – ab 1914 wurden mehr als die Hälfte der Waale aufgegeben. Die Hauptursachen sind vor allem personeller Natur.

Die „Tiroler Waalgruppe“ hat mit einem fünfjährigen Arbeitsprogramm die Waale Tirols per GPS erhoben und kartiert. Man kann sie seit Januar 2020 unter „tirisMaps“ abrufen. Diese Arbeit ist aus kulturhistorischen Gesichtspunkten hervorgegangen, hat aber auch einige praktische Überlegungen als Grundlage:

Erstens, seit Ende des Zweiten Weltkrieges befinden wir uns bereits in der 3. Genera-tion, einer Generation, die schon gar nicht mehr weiß, was Waale überhaupt sind.

Zweitens, da die Waale vor und während der Weltkriege selbstverständlich gewesen sind und jeder Bauer wusste, wo sie verliefen, gibt es kaum Aufzeichnungen. Für die Erhebungen mussten Zeitzeugen gefunden werden, die noch mit der traditionellen Bewässerung zu tun gehabt haben. Diese waren aber bereits 80 bis 95 Jahre alt.

Drittens, von all den wissenschaftlichen Diplom- und Doktorarbeiten, die es über die Tiroler Waale gibt, enthält nur jene von Herrn Dr. Walter Zaderer ein paar Kartierungen von Waalen. Und ausgerechnet vom Ötztal, das 1/3 (340) aller Waale Tirols (1.050) aufweist, gibt es keine einzige Kartierung, nicht einmal eine Skizze.

Da die Waale Tirols als ethnisch charakterisierendes, historisch bedeutsames und sehr wichtiges Kulturerbe betrachtet werden müssen, waren die GPS-Erhebungen schon allein aus logischen Erwägungen unerlässlich. Für die Zukunft der Bauern könnten sie noch im Rahmen des Klima-Debakels eine wichtige Rolle spielen.”

 

Eine weitere Waalwanderung mit Werner Holzner findet am 2. September in Umhausen entlang des Funduswaales, einem der schönsten Waale des Ötztales, statt. Anmeldungen werden ab sofort angenommen unter info@oetztalermuseen.at