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SOLANGE-Netz in Lehn
Wastls-Haus im Zeichen des Feminismus

Eine kleine Sensation bereichert Lehn seit dieser Woche: Die Tiroler Künstlerin Katharina Cibulka hat ihr 25. Staubnetz im Ötztaler Heimatmuseum montiert und für diese Kunstinstallation ein Zitat auf Ötztalerisch ausgewählt, das uns in den vergangenen Wochen im Rahmen des Postkarten-Schreibaufrufs zugeschickt wurde.

Vergangenen Sommer nahm Katharina Cibulka den Preis für Zeitgenössische Kunst des Landes Tirol entgegen – und die nächsten Kunstprojekte im Herbst 2022 führen sie in die USA und nach Frankreich. In diesem Sommer ist allerdings Längenfeld Hotspot feministischer Aktionskunst: Aufhänger des Kunstwerks im wortwörtlichen Sinn ist das 400 Jahre alte Bauernhaus „Wastls“, das 2020 von der Gemeinde Längenfeld angekauft und nun saniert und einer musealen Nutzung gewidmet wird. Dem Museums-Team erschien eine Zusammenarbeit mit Katharina Cibulka als ideale Form, schon die Baustelle selbst zum Medium der Kunst- und Kulturvermittlung zu machen.

Am Anfang stand ein Aufruf: Über mehrere Wochen sammelten die Ötztaler Museen Postkarten-Zusendungen mit Vorschlägen für einen feministischen SOLANGE-Spruch auf dem Wastls-Haus inmitten des Lehner Museums-Ensembles. Über 150 Postkarten gingen ein – und die Auswahl angesichts der vielen kreativen, ernsten, aber auch lustigen Beiträge war schwierig.
Ausgewählt wurde ein Satz, der von der Ötztalerin Helene Steger-Holzknecht beigesteuert wurde. Genaugenommen ist es ein Gedicht, das sie anlässlich der SOLANGE-Kunstaktion niedergeschrieben hat. Hier kann der Text, gelesen von Helene Steger-Holzknecht selbst, angehört werden:

  • Sölonge mir moan es ischt olles selbschtvrständlach
  • Sölonge mir vör lauter Strudlen und Tudlen nit zen Denkn kemen
  • Sölonge mir dos wos mr denkn nit sogn
  • Sölonge mir mittöttlen mit ollan und jo nuicht oneggn
  • Sölonge a Weiwats dreimol sovl orbatet obr dreimol mindar vrdiät
  • Sölonge in Gemoanen und Kirchen lei Mander vöer dron is Sogn hobn
  • Sölonge – wiä longe nö? – wern mr nit stille …. und Feminischt:innen sein.
  • (Helene Steger-Holzknecht)

 

Im Rahmen der Präsentation wurden von der Künstlerin Katharina Cibulka und Museumsleiterin Edith Hessenberger die Hintergründe dieser Kunstinstallation sowie die sich nur langsam verändernden Rahmenbedingungen der Arbeitssituation von Frauen angesprochen. “Aus dem Pool an erarbeiteten SOLANGE-Sätzen hat sich einer herauskristallisiert, der wunderbar ins Ötztaler Heimat- und Freilichtmuseum passt, weil er sich nicht nur inhaltlich, sondern auch formal ins Umfeld einfügt,” sagte die Künstlerin mit Hinweis auf die große Rolle des Dialekts im Ötztal. Die Mehrfachbelastung der Frauen sei vermehrt in den Einsendungen thematisiert worden. Das „dreimol sövl orbatn“ bezieht sich auf die Trias Erwerbs-, Koordinations- und Pflegearbeit, die seit der Pandemie verstärkt in den Fokus geraten ist. Nicht nur wird die Lohnarbeit von Frauen in Österreich je nach Statistik, Berufsgruppe und Berechnungsart zwischen 20 und 50 % schlechter bezahlt als die von männlichen Kollegen, sondern es kommt noch die schwer messbare unbezahlte und wenig gewertschätzte Arbeit, die Frauen leisten, dazu.

Katharina Cibulka und Edith Hessenberger bei der Montage des 25. SOLANGE-Netzes in Lehn.

Es gehe darum, gemeinsam Lösungen für die strukturellen Probleme zu finden, die uns alle betreffen, so die Künstlerin. Die Aufgaben, gerade auch die unbezahlten, fair zu verteilen, führe zu mehr Verständnis und letztlich zu gesellschaftspolitischen Entscheidungen, die von einer breiten Basis getragen werden, sofern auch Frauen in entscheidenden Funktionen vertreten sind.

Dass der Boden der Gleichstellung dünn sei, betonte Edith Hessenberger bei der Eröffnung, mit Hinweis darauf, wie jung Frauenrechte in Österreich seien – und wie schwer sie teils in die Praxis umzusetzen sind. Deshalb soll der SOLANGE-Satz in der Ötztaler Mundart nicht ins Museum, sondern an der Fassade des Wastls-Hauses alle Passantinnen und Passanten ansprechen und zu lebendigen und fruchtbringenden Diskussionen anregen.

Musikalisch gestaltet wurde der Abend vom Frauen-Gesangs-Ensemble “Die Saligen”, das selbst verfasste Stücke – auch zum Thema Frauen – zum Besten gab und das Publikum begeisterte.

Sorgten für Stimmung und Nachdenklichkeit: Ensemble “Die Saligen” mit Barbara Müller, Bettina Schmid, Christine Köhle, Petra Schmid-Weiß und Agnes Juen.

So präsentiert sich das Ensemble um das Ötztaler Heimatmuseum im Sommer 2022.