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Bilderspaziergang
Sterbebilder aus dem Ötztal

Sie liegen in Schubladen, stecken zwischen Papieren in Schachteln am Dachboden, oder flattern aus den Gebetsbüchern der Vorfahren: Sterbebilder von Menschen, die vor Jahrzehnten verabschiedet wurden, und einem oft nicht mehr bekannt sind. Was ist daran interessant?

In unserem Archiv Gedächtnisspeicher bauen wir eine Sammlung von Sterbebildern aus dem Ötztal auf. Für historische Forschungen können diese kleinen Dokumente oft sehr hilfreich sein, und auch für sich genommen sind sie ein interessantes Kulturgut, das sich im Laufe der Zeit immer wieder verändert.

Sterbebilder sind in Tirol ab 1795 nachweisbar. Der Ursprung des Brauchs liegt wohl in den Niederlanden des 17. Jahrhunderts und kam Jahrzehnte später nach Österreich, wo er seither wichtiger Teil der alltäglichen Erinnerungskultur an Verstorbene aller Tiroler Bevölkerungsschichten geworden ist.

Die weite Verbreitung der Sterbebilder ist eng mit dem technischen Fortschritt verknüpft. Die Ablösung des Kupferstichs durch die Lithografie haben das Sterbebild schließlich zu einem Medium der breiten Masse gemacht. Bis in die 1850er Jahre waren Tiroler Sterbebilder von Heilgenbildern von einheimischen Künstlern geprägt – das kann als Charakteristikum von Tiroler Sterbebildern gesehen werden. Mitte des 19. Jahrhunderts kam es zu einem erneuten technischen Fortschritt, der nun die preisgünstigen halbfertigen Exemplare als Hauptmotive im Tiroler Markt einführten. In dieser Zeit ist neben charakteristischen Trauermotiven und dem Trauerrand auch die Fotografie Teil der Sterbebilder geworden. Ab 1864 können Fotografien auf Sterbebildern nachgewiesen werden. Die frühe Etablierung der Fotografie auf Tiroler Sterbebildern ist bemerkenswert, da erst im 20. Jahrhundert das persönliche Foto das wichtigste Mittel des Identitätsnachweises wurde. Häufig sind in dieser Zeit verschiedene Versionen der Sterbebilder zu finden, so auch in der Sammlung der Ötztaler Museen: Es gibt Sterbebilder mit und ohne Foto. Das ist auf die Kosten von Fotografien zur damaligen Zeit zurückzuführen.

Neben dem bis heute wichtigen Teil sind auf Sterbebilder typischerweise folgende Textbausteine zu finden: Eine Gedenk- und Gebetsempfehlung, ein persönlicher Block mit Anrede, Name, Beruf, Alter, Krankheit, Empfang der Sterbesakramente, Sterbesituation, Totenlob und Fotografie, sowie ein Gebetsblock: Bibelstellen, Ablass, andere Gebete, Schlussformel und häufig auch ein Trauergedicht.
Ebenso wie die Textbausteine ist auch das Format gleichgeblieben, das Regelformat beträgt (10,5 × 7,4 cm). Diese Größe ist darauf zurückzuführen, dass die wichtigsten Gedenkkarten meist in den persönlichen Gebetsbüchern aufbewahrt wurden, vor oder nach der Gebetsempfehlung. Entferntere Verwandte oder Bekannte wurde meist in der Stube gesammelt, da es häufig über 100 Stück waren, die sich im dörflichen Kontext im Laufe des Lebens ansammelten.

Eine der sichtbarsten Veränderungen, die auch bei den Ötztaler Sterbebilder gesehen werden kann ist jene, dass sich ab ca. 1910 immer mehr dreiseitige Sterbebilder finden lassen. Nun wird auch an Eheleute immer häufiger in einem gemeinsamen Sterbebild erinnert.

Eine besondere Form der Sterbebilder sind die Kriegsgefallenenbilder. Diese sind innerhalb von zwei Rahmen zu betrachten: Der Mitteilung des Todes und die Kontrolle der Obrigkeiten über den Inhalt der Sterbebilder. Dabei ist vor allem zu bemerken, dass währende der NS-Zeit das Eiserne Kreuz das christliche Kreuz auf den Sterbebildern ablöste.

Lange waren Sterbebilder Teil der katholischen Gedenkkultur. Ungefähr seit den 2000er Jahren, als die Erinnerungsfunktion den Aufruf zum Gebet ablöste, wurden die Bilder auch für weitere christlichen Gruppen und bei Menschen ohne Glaubensbekenntnis ein Medium der Erinnerung. Sterbebilder gehören zur demokratischsten Art der Erinnerungskultur an geliebte Menschen und (religiöse) Praktiken, um geliebten Menschen zu gedenken.

Erinnern Sie sich mit uns an alte Ötztalerinnen und Ötztaler

Wir haben hier die ältesten Sterbebilder in unserer Sammlung für Sie online gestellt.

Haben auch Sie Sterbebilder von Ötzalerinnen und Ötztalern zu Hause und wollen die Erinnerung an die Menschen teilen? Oder haben Sie Sterbebilder von Menschen, die Sie nicht kennen und wollen Sie nicht wegwerfen? Wir freuen uns über digitale Zusendungen (und natürlich auch in Papierform!) für unser Archiv unter: info@oetztalermuseen.at


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