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Bilderspaziergang
Frühe Bergführer im Ötztal

Die Geschichte der Bergführer hängt eng mit der Entwicklung des Tourismus zusammen. Ende des 18., Anfang des 19. Jahrhunderts begann vor allem der britische Geburts- und Geldadel, die Alpen zu besteigen. Begleitet wurden diese Pioniere von einheimischen Ortskundigen als Führer und Träger. Der erste Bergführerverein wurde 1821 in Chamonix am Fuße des Montblanc gegründet, um die Bergführer im Unglücksfall abzusichern. Die Schweiz verabschiedete in den 1850er Jahren Gesetze, die den Beruf regelten – vor allem, weil sich Klagen der englischen TouristInnen über Unzuverlässigkeit und unverhältnismäßige Preise häuften. Die erste Bergführerordnung der österreichischen Geschichte wurde 1863 in Salzburg verabschiedet.

Tirol brauchte etwas länger, aber dann ging es schnell. Ende der 1860er Jahre wurde der Mangel an Bergführern so deutlich, dass die k.k. Bezirkshauptmannschaft Innsbruck eine Aufforderung an die Magistrate schickte, aktiv nach geeigneten Leuten zu suchen und sie als Bergführer anzuwerben.

Begründer des Tiroler Bergführerwesens:
Der Ötztaler Priester und Bergsteiger Franz Senn.

Der leidenschaftliche Bergsteiger Franz Senn (1831–1884) kam 1860 als Seelsorger nach Vent und widmete sich hier, am Fuße der Wildspitze, der Einrichtung erster touristischer Infrastrukturen. Der Tourismus steckte damals im Ötztal gewissermaßen noch in den Kinderschuhen: 1845 wurden in Vent ganze acht TouristInnen gezählt. Vieles lag im Argen: das Straßen- und Wegenetz war nicht ausgebaut, es gab keine bzw. unzureichende Unterkünfte im Tal, keine Schutzhütten auf den Bergen, Markierungen waren gänzlich unbekannt und selbst Karten waren mangelhaft. Die TouristInnen, die im Ötztal Berge besteigen wollten, konnten auf einzelne einheimische Männer zurückgreifen, die alpine Erfahrung vorzuweisen hatten. Diese waren aber oft nicht erpicht darauf, sie auf Touren zu begleiten. Das Tal musste also, sollte der Tourismus eine ernsthafte Einnahmequelle werden, erschlossen werden. Und – darin sah Senn einen zentralen Aspekt – das Bergführerwesen musste professionalisiert werden. Die Generalversammlung des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins beauftragten Johann Stüdl und Franz Senn 1870 mit der Erstellung einer Bergführerordnung. Die „Bergführerordnung giltig für Tirol und Vorarlberg“ trat 1871 in Kraft. Der Deutsche und der Österreichische Alpenverein wurde in den kommenden Jahrzehnten zum Organisator, Ausbildner und Aufsichtsorgan des Bergführerwesens. Bergführer (Frauen blieb der Beruf und auch die Aufnahme in den Alpenverein jahrzehntelang verwehrt) bekamen eine solide Ausbildung, die durch ein Diplom oder Führerabzeichen bestätigt wurde. Sie wurden unfallversichert, hatten Anrecht auf Altersrente und im Falle auch auf Invaliden-, Witwen- und Waisenrente. Heute wird Senn als Begründer des Tiroler Bergführerwesens bezeichnet. Nach ihm wurde auch eine Hütte benannt: die Franz-Senn-Hütte im Oberbergtal (Stubaier Alpen).

Führer-Tarif für das Oetztal. Section Innsbruck des Deutschen und Oesterreichischen Alpen-Vereins. 26. Juni 1888 (Bibliothek des Ferdinandeum [FB6917])

Die ausgewählten Fotos sind von 1890 bis 1910 und dürften die Enkel der ersten Bergführer-Generation zeigen. Sie wurden wohl vor Ort abgelichtet, schrieben ihren Namen auf das Bild und auch die Bezeichnung „aut. Bergführer“ oder „dipl. Bergführer“. Sie hatten also die Ausbildung zum Bergführer erfolgreich abgeschlossen und verwendeten das Foto als eine Art Visitenkarte. Und sie präsentierten sich als stramme Burschen: alle mit einem Seil über der Schulter, lässig einen Pickel in der Hand, meist mit Blick in die Ferne und auf jeden Fall mit Hut. (Verena Sauermann)