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Bilderspaziergang
Stereofotografien aus dem Ötztal

Durch die neuen technischen Möglichkeiten, die die Erfindung und rasante Weiterentwicklung der Fotografie im 19. Jahrhundert mit sich brachte, entstanden auch völlig neue Produkte der visuellen Kultur: Fotografien wurden nicht nur in Form einfacher Abbildungen, sondern durch verschiedenste einfach und komplizierte Mechanismen inszeniert. Ein sehr populäres Produkt dieser fotografischen Neuheiten und Moden waren Stereofotografien.

Stereoskop um 1900

Dabei handelte es sich um Bildpaare, die von einem minimal unterschiedlichen Blickwinkel aufgenommen wurden, um durch ein sogenanntes Stereoskop das binokulare Sehen von Dingen im Raum auf einer Fläche simulieren zu können. Die Faszination dieser Mode lag also nicht einmal so sehr in der realistischen Wiedergabe von dem, was gezeigt wurde, als vielmehr in der Künstlichkeit einer plastisch wirkenden Erscheinungswelt. Einmal entwickelt, eroberten Stereofotografien ein Massenpublikum im Sturm. Gerade in gutbürgerlichen Haushalten war das Betrachtungsgerät ein beliebter Unterhaltungsgegenstand. Die kleinen Szenen im Guckkasten mit ihrer suggestiven Tiefenwirkung faszinierten, und wurden in der zweiten Hälfte des 19.  Bis ins beginnende 20. Jahrhundert hinein in Massen produziert. Wenig überraschend wurden neben Landschaften, dörflichen Szenen oder städtischen Motiven auch zahlreiche erotische Motive produziert und fleißig gesammelt.

Auch im Ötztal wurden während dieser Jahrzehnte zahlreiche Stereofotografien angefertigt und verkauft. Von 1868 bis 1872 wanderte der etwa der Franzose E. Lamy, von Brixen kommend, in die Gletscherregion des Venter- und Gurgltales. Er verwendete eine Stereoskop- und eine Visitformatkamera. Seine Aufnahmen bestechen durch hohe künstlerische und technische Qualität. Ganz in der romantischen Mode des Bildaufbaus, werden kleine Menschenfiguren in Rückenansicht inmitten der überwältigenden Natur abgebildet. Durch ein Stereoskop betrachtet, gibt die Plastizität der Bilder dem Betrachtenden ein Gefühl für die Dimensionen der alpinen Landschaften.

Im nachfolgenden Bilderspaziergang geben wir Einblick in unser Archiv „Gedächtnisspeicher“ und geben eine Auswahl an bekannten und weniger bekannten Stereoskopien aus der Region. Einzelne Stereofotografien haben wir als “Wackelbilder” arrangiert, um mangels Stereoskop dennoch einen Eindruck von der räumlichen Wirkung durch den versetzten Blickwinkel nachvollziehbar zu machen. (Edith Hessenberger)